Die Opfergemeinschaft
Freiheit vs. Zwang im Privaten, im Arbeitsleben und in der PolitikSusa fragt:
Lasse ich es zu, dass die für mich scherzhaften Handlungen der anderen zu Erfahrungen mache, über die ich mich definiere und nach denen ich mein Leben ausrichte?
von Susa, Karin und Rainer
Für den folgenden Text haben wir bewusst die Überschrift "Opfergemeinschaft" und nicht etwa "Opfergesellschaft" gewählt, weil wir deutlich machen wollen, dass es uns nicht um eine Anklage "gegen die da oben" geht, wir nicht herrschende Teile der Gesellschaft als alleinverantwortlich dafür sehen, nicht einfach so leben zu können, wie wir es gern möchten. Vielmehr sind wir überzeugt, dass wir, wenn wir gesellschaftliche Veränderungen fordern, im Rahmen unserer Möglichkeiten ebenso durch eigenes Engagement dazu beitragen müssen. Deswegen gibt es diese Website, den PolyTreff und das PolyMeetup.
"Opfergemeinschaft" heisst: wir sitzen alle im selben Boot, auf Gedeih und Verderb einander ausgeliefert, weil wir nur diesen einen Planeten haben und nun mal auf Dauer kein Mensch für sich allein existieren kann. Darum gibt es "die Gesellschaft", darum gibt es "das Gemeinwesen". Was wir jedoch kritisch betrachten, ist die Art und Weise, in der dieses Gemeinwesen strukturiert ist, welchen unbewusst destruktiven Mechanismen und Ritualen möglicherweise seine Strukturen folgen.
Was wir kritisieren, sind die gesellschaftlich genormten Rollen, in denen wir uns im Alltag üblicherweise bewegen, und die häufig als "alternativlos" gesehen werden. Was ist ein Mann, was eine Frau, was eine Mutter, was ein Vater? Was ist eine Familie? Was ist ein Arbeitgeber, was ein Arbeitnehmer, warum und wofür arbeiten wir überhaupt? Was ist ein Beziehungspartner, weshalb haben wir Sex? Warum gibt es Monogamie? Was ist Macht, was ist Liebe? Warum gibt es Krieg? All diesen Fragen möchten wir im Folgenden Stück für Stück nachgehen und darlegen, was sie mit der Opfergemeinschaft zu tun haben.
(Zur vorletzten Frage: was unterscheidet "sexpositive" Frauen von solchen, denen es nur um Sex, nicht aber um Liebesbeziehungen geht (Debatte Ben-Susa-Rainer))
(Hierarchien in Beziehungen oder was ist Liebe: symbiotische Liebe vs. Vernunftehe (Gespräch mit Maria), Haupt- und Nebenbeziehungen, Primary und Secondary, serielle und parallele Monoamorie)
Arbeit als Zwang. Die mechanische Zeit - ihre Herkunft und ihre Auswirkungen. Arbeit und Urlaub, Hobby, Ehrenamt und negative Einkommenssteuer. Mangelökonomie - sowohl in der Wirtschaft als auch auf der Beziehungs- und Sexualitätsebene.
Alternative zu Ideologien und daraus folgendem Krieg: den einzelnen Menschen aus der individuellen Perspektive seiner Weltsicht begreifen und so zu verstehen, warum er handelt, wie er es tut. Religionen wie Ideologien beruhen nicht auf Fakten (auch nicht auf alternativen Fakten), sondern sind Erfindungen menschlicher Phantasie und Projektion. Trotzdem muss jeder die Freiheit haben, glauben zu dürfen, was er will: Berührung statt Zwang ist das Mittel der Wahl. Denn eine Gemeinschaft, die Zwang anwendet statt zu berühren, ist aller Wahrscheinlichkeit wiederum selbst ideologisch und religiös motiviert.
Zur Struktur des Gemeinwesens: die in ihr vorherrschende Kultur als ihr strukturierendes Element. Opferkultur vs. Entwicklungskultur. Unsinnige Dichotomien: Konservatismus vs. Anarchie, Arbeit vs. Urlaub (Arbeitslosigkeit bei vollem Lohnausgleich), Kleinfamilie vs. freie Liebe (wer zweimal mit derselben pennt...). Lösungsmöglichkeiten: Entwicklungspolitik im Inland, negative Einkommenssteuer, Wahlfamilie als Alternative zur Kleinfamilie, ihre staatliche Förderung ebenso wie die der Kleinfamilie: steuerlich, Wohnungsbaupolitik. Erbrecht: gesetzliche Verwandtschaft als Gegensatz zur Gemeinschaft?
Die Frage, ob wir Menschen biologisch determiniert mono- oder polyamor veranlagt seien, wird oft konträr diskutiert: Bonobos vs. bestimmte Vogelarten etc. Solche Vergleiche sind jedoch irreführend: wir sind einfach keine Tiere, weder Vögel noch Affen; auch wenn wir evolutionär von ihnen abstammen (und nicht etwa intelligent designed sind), unterscheiden uns Welten von ihnen. Wenn es schon schwer ist, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, so ist jeder Versuch des Vergleichs mit Tieren per se unsinnig. Diese Frage ist aber eigentlich auch irrelevant: wenn Menschen monoamor veranlagt wären, warum gibt es dann überhaupt gesellschaftliche Regeln, die ihn zur Monoamorie nötigen? Solche Regeln wären doch in diesem Fall obsolet, denn dann käme doch kein Mensch auf beispielsweise die Idee, fremdzugehen! Aber mal ernsthaft gefragt: warum gibt es Monoamorie als gesellschaftliche Norm? Was ist der persönliche Gewinn dieser Form?