Poly in Berlin

Polytik


von Rainer


Seit etwa dem Beginn der 80er Jahre befindet sich unsere Gesellschaft zunehmend im Umbruch. Dieser Umbruch wird heute vielfach diskutiert als der Übergang von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft. Wie alle gesellschaftlichen Veränderungen betrifft dieser Wandel jedoch nicht allein die Art und Weise wirtschaftlicher Produktion ihrer bestimmenden Werkstoffe und die dazugehörige zeitliche Organisation, sondern parallel in wechselseitiger Beeinflussung den jeweils vorherrschenden Energieträger, die wesentlichen Transportmittel, die bestimmenden Medien sowie die Art und Weise gesellschaftlichen wie familiären Zusammenlebens samt der politischen Begleitung dieser Prozesse. All dies sind sowohl Indikatoren als auch konstituierende Merkmale des jeweiligen gesellschaftlichen Wandels.

Wir können das in der europäischen Geschichte der letzten rund 250 Jahre recht gut verfolgen. Am Beginn dieser Zeitspanne steht die Entwicklung der Dampfmaschine. Sie ermöglichte die mechanische Potenzierung menschlicher Arbeitskraft und somit eine industrielle Produktion in bis dahin ungekanntem Ausmaß, u.a. des immer wichtiger werdenden Werkstoffs Stahl. Diese Entwicklung löste die bis dahin bestehende Agrarproduktion ab, samt ihrer monarchischen wie klerikalen politischen Organisation. Die bis dahin vorherrschenden
Energieträger waren Holz, ergänzt durch Wind- und Wasserkraft, die vorherrschende Familienstruktur die der bäuerlichen wie bürgerlichen Großfamile, die Transportmittel Pferdekutschen, Ochsenkarren und Segelschiffe, die Medien Zeitungen und Bücher.

Dies wurde nun abgelöst durch den Energieträger Kohle. Die Verkehrsmittel Eisenbahn und Dampfschiffahrt benötigten den Werkstoff Stahl; sie gewannen immer mehr an Bedeutung und ermöglichten die Überwindung immer größerer Entfernungen in immer kürzerer Zeit. Auch in der Produktion wandelte sich der Zeitbegriff; waren in der Agrargesellschaft Jahreszeiten und der Wechsel von Tag und Nacht bestimmend, so wurde dies abgelöst durch mechanische Schichtzeiten, die unabhängig waren sowohl von Jahres- als auch Tageszeiten. Die bäuerliche wie die bürgerliche Großfamile wurde abgelöst durch die städtische Kleinfamilie, die einerseits verbunden war mit mehr individuellen Freiheiten (Liebesheirat), aber andererseits auch mit wachsender Entfremdung zwischen produktiver Arbeit und familiärer Reproduktion. Staatliche Sozialsysteme wurden erforderlich; es entstanden Renten-, Kranken- und Sozialversicherungen. Zu den Medien kamen zusätzlich Zeitschriften und die Telegrafie. Diese Epoche endete in Europa mit dem ersten Weltkrieg.

Nach diesem Krieg gewann, ausgehend von den USA, ein neuer Energieträger wachsende Bedeutung: das Erdöl samt seiner Produkte Benzin und Kunststoff. Zwar wurde noch Stahl erzeugt, doch gab es nun daneben weitere Werkstoffe, die sich ebenso gut zur industriellen Produktion eigneten. Die Eisenbahn bekam wachsende Konkurrenz durch das Auto, die Schiffahrt durch den Flugverkehr (z.B. Zeppeline). In dieser Zeit wandelte sich auch das Verständnis familiären Zusammenhalts. Frauen gingen zunehmend einer eigenen Arbeit nach, die Kleinfamilie war Standart, aber Liebesverhältnisse beschränkten sich mehr und mehr nicht nur darauf, sondern wurden auch möglich unter Singles und Verlobten. Die Poltik wandelte sich zu einer Demokratie mit sehr viel Freiraum. Zu den Medien gesellten sich Telefon, die Schreibmaschine, Schallplatten und Radio. Diese Epoche endete in einer fürchterlichen Diktatur und letztlich mit dem zweiten Weltkrieg.

Nach dem Wiederaufbau zeigten sich neue gesellschaftliche Freiheiten; Rock 'n Roll und Existenzialismus prägten die Jugend und Avantgarde, die Kleinfamilie wurde in der Mitte der Gesellschaft zunehmend ebenso idealisiert wie die industrielle Arbeit. Die industrielle Produktion lief auf Hochtouren, wachsender Wohlstand führte zu weiter wachsender individueller Freiheit wie z.B. Massentourismus, ermöglicht durch das Auto für jedermann. Dazu kam eine Welle sexueller Aufklärung, die die Themen Liebe und Sexualität erstmalig in den Fokus breiter öffentlicher Wahrnehmung brachten, beflügelt durch die Erfindung der Pille, welche erstmalig die Trennung zwischen Sexualität und Fortpflanzung auch den Frauen ermöglichte (wenn auch um den Preis, dass Männer diese Verantwortung zunehmend den Frauen zuschoben). Die Demokratie, zunächst in Abgrenzung zum nach dem zweiten Weltkrieg entstandenen Ostblock (kalter Krieg) geprägt durch konservative Parteien, fand Platz für freiheitlicheres Gedankengut (mehr Demokratie wagen, Wiederannäherung an den Ostblock), das Zusammenleben in "wilder Ehe" war nicht länger unmöglich, die Bewegung der 68er entstand. Das neue Medium dieser Zeit war das Fernsehen und der Fernschreiber. Das Telefon fand weitere Verbreitung und wurde zum Standart.

Mit den 68ern endete auch diese Epoche. Erstmals kam die industrielle Produktion an ihre Grenzen, das Kohle- und Stahlzeitalter begann zu enden (Zechensterben). Umweltverschmutzung und die Grenzen industriellen Wachstums wurden zunehmend debattiert, neue Lebenmodelle wie Wohngemeinschaften, Patchworkfamilien, serielle Mongamie Teil des gesellschaftlichen Mainstreams. Politisch wurden vorwiegend Staat und Gesellschaft verantwortlich gemacht für individuelle Schicksale.
Die Frauenbewegung etablierte sich und verlangte gesellschaftliche Gleichstellung mit Männern. Innerlichkeit wurde wichtiger als Äußerlichkeit, neue religiöse Strömungen entstanden (Baghwan), es wurde zunehmend kreativer Ausdruck dieser neuen Innerlichkeit gesucht. Die Überwindung der Nationalstaaten fand Ausdruck in zunehmender europäischer Einigung, auch in weiterer Normalisierung des Verhältnisses zum Ostblock. Zu den Medien gesellte sich der Kassettenrecorder und der Taschenrechner.

An dieser Stelle beginnt der gesellschaftliche Umbruch, in dem wir uns gegenwärtig befinden. Eingeleitet wurde diese Epoche durch eine Politik des "billigen Geldes" durch Großbritannien (Thatcherismus) und die USA (Reagonomics). Der Staat sollte sich aus möglichst vielen öffentlichen Institutionen zurückziehen, eine Welle der Privatisierung begann, welche zunehmend den Aktienmarkt beflügelte, im Bereich öffentlicher Institutionen jedoch teils desaströse Verhältnisse schuf. Dieses billige Geld wurde teils verwendet zu einem beschleunigten Wettrüsten, teils aber auch zur Umstellung industrieller Produktion auf zahlreiche neue technische Produkte, welches zusammen mit einer beginnenden Liberalisierung im Osten (Solidarność, Glasnost, Perestroika) zu einem Zerfall des Ostblocks und zu einem teilweisen Zusammenbruch der dortigen staatlichen Organisation führte - immerhin nicht um den Preis eines dritten Weltkriegs. Im Privaten wurden sexuelle Verhältnisse weiter normalisiert, die Homosexualität befreite sich aus dem Verborgenen und verlangte gleiche Rechte. Zahlreiche neue, elektronische Medien entstanden: CD, Videorecorder, Walkman,Telefax, Homecomputer (C64), elektrische Schreibmaschine, Fotokopierer. Das Auto fand immer weitere Verbreitung und wurde allmählich allein schon durch seine pure Masse zum Problem, Flugreisen wurden zum neuen Standart. Die Globalisierung begann mit zunehmender industrieller Produktion in Fernost (Elektronik, Autos, Schiffe), Produkte wurden weltweit verfügbar, globale technische Standarts entstanden.

Zu Beginn der 90er mussten sich zahlreiche Staaten in Europa wie im ehemaligen Ostblock Geld verschaffen, um die durch die politischen Umbrüche entstandene Unordnung aus der Zeit seit dem zweiten Weltkrieg neu zu ordnen. Es wurden Staatsanleihen ausgegeben zu hohen Zinsen, welche wie die Aktiengewinne zuvor zu einer weiteren gewaltigen Vermehrung des Geldes führte, leider wie stets zuvor in den Händen Weniger. Es begann sich eine zunehmender Schere aufzutun zwischen arm und reich. Der PC und das Internet begannen ihren Siegeszug, was auch zu einer zunehmenden Beweglichkeit des Kapitals rund um den Globus führte (Computerhandel). Dies wiederum brachte viele Staaten in Bedrängnis: ein zunehmender Wettbewerb um möglichst niedrige Steuern begann, vor allem hoher Einkommen wie auch Vermögen. Gleichzeitig jedoch rückte die Welt informationstechnisch zusammen; Ereignisse irgendwo auf der Welt fanden sich wenige Stunden später im eigenen Wohnzimmer wieder. Zu den sexuellen Orientierungen gesellten sich Bi- und Transsexualität, zudem entstanden neue Beziehungsformen wie BDSM und Queerness, die teilweise offen neben schon bestehenden Beziehungen gelebt werden konnten und wollten. Zu den neuen Medien gesellten sich neben PC und Internet das Handy.

Analyse unserer sich im Umbruch befindlichen Gesellschaft (Globalisierung vs. Rückbesinnung auf national-konservative Werte, z.B. Brexit) Von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft und die sozialen Folgen. Geschichtliche Vorläufer.

Wahlprogramme der Parteien zur Niedersachsenwahl 2017

ideologische Lücken in diesen Wahlprogrammen

polyamore Familien- und Sozialpolitik im größeren Kontext anderer Fachbereiche (Wirtschafts- , Sozial-, Verkehrs- und Energiepolitik)

paradox: polyamore Strömungen innerhalb christlicher Glaubensgemeinschaften

Teil 1 www.jesus2go.de/texte/60-es-ist-zeit-in-der-kirche-ueber-polyamorie-zu-reden
Teil 2 www.jesus2go.de/texte/61-was-polyamorie-nicht-ist
Teil 3 www.jesus2go.de/texte/62-liebesbasierte-sexualethik-und-polyamorie